Donnerstag, 1. November 2012

Normal Love - Survival Tricks (UgExplode)


Bands, die auf UgExplode veröffentlichen, sind in der Regel etwas Besonderes – lärmig, anstrengend, und in den meisten Fällen wirklich eigenständig. Doch Normal Love sind eben noch etwas „besonderer“; Das New Yorker Sextett gehört zu der vom Aussterben bedrohten Spezies von Musikern, die tatsächlich musikalisches Neuland betreten. Spürbar wird diese Originalität spätestens dann, wenn man sich – wie der Verfasser dieser Zeilen – anschickt, über ihre Musik zu schreiben. Der Widerstand, den diese Klänge jedem schriftlichen Annäherungsversuch entgegen setzen, die Unmöglichkeit, sich hier auf bequeme Formeln wie „klingt nach dieser oder jener Band“ zurückzuziehen, ist gewissermaßen der unbestechliche Gradmesser und Beweis ihrer Neuheit.
Normal Love sind ein „Skronkester“, bestehend aus sechs jungen und überaus talentierten MusikerInnen – Geigerin Jessica Pavone, die bereits mit John Zorn zusammengearbeitet hat, ist sicherlich die bekannteste unter ihnen. Und das lautmalerische „Skronk“ ist sicherlich am ehesten geeignet, diese Musik zu beschreiben; An die Stelle von Harmonie und Melodieführung tritt hier ein Vokabular aus kratzenden, schabenden und kreischenden Geräuschen, die den durchaus nicht ungewöhnlichen Instrumenten (Bass, Gitarre, Schlagzeug, Geige…) durch mehr oder weniger unorthodoxe Spieltechniken abgerungen werden – die „extended technique“ wird zum Normalfall. Dabei scheuen sich Normal Love nicht, auf bestimmte Motive – fast könnte man sie „Refrains“ nennen – immer wieder zurückzukommen, was sie dann doch noch als „Rockband“ im weitesten Sinne ausweist – eine Art „Rock“ indes, die mehr mit Brian Ferneyhough als mit den meisten sogar experimentellen Rockbands gemein hat. Und während dem Sextett mit Lend Some Treats ein Stück gelungen ist, das auf perverse Weise sogar „poppig“ ist, zeigen sich die Stärken der Band besonders in der zweiten Hälfte des Albums, in Stücken, die so etwas wie eine Entwicklung aufweisen: Cultural Uppercut eskaliert zusehends und lässt flirrend-psychedelische Gitarren – wir denken an die Battles – schließlich im Donnergrollen der Blastbeats untergehen. I Heard You Could See Baltimore From There, wohl der Höhepunkt des Albums, ist so etwas wie eine paranoide Oper in knapp zehn Minuten, mit fast schon schmerzhaft dissonanten Streichern und theatralischem Gesang, der mehr und mehr zu gehetztem Keuchen verkommt.
Bei allen Schwierigkeiten, die Normal Love (wohl nicht nur) diesem Rezensenten bereiten, machen sie es mir in einer Hinsicht doch leicht: Es besteht nämlich kein Zweifel daran, dass Survival Tricks zu den innovativsten und spannendsten Alben der letzten Jahre zählt, und wer ein offenes Ohr für experimentelle Klänge hat, kommt um die Beschäftigung mit diesem Werk nicht herum.

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