Sonntag, 14. Oktober 2012

Kyle Bruckmann's Wrack - Cracked Refraction (Porter)


Kyle Bruckmann ist ein Grenzgänger zwischen den Stilen; Das konnte er bereits mit seiner alten Band Lozenge – eine Melange aus Prog, Improvisation und Riffs aus dem Metal/Punk Spektrum – unter Beweis stellen. Wrack, sein jüngstes Projekt, kreist zwar um ein anderes musikalisches Schwerkraftzentrum, führt aber dennoch die ergebnisoffenen stilistischen Erkundungen fort. Oberflächlich wäre das Quintett vielleicht am ehesten im Jazz zu verorten, aber die unentwegten Ausbrüche aus diesem Idiom halten seine musikalische Identität in der Schwebe.
Exacerbator, das erste Stück auf Cracked Refraction, zeigt die Band von ihrer kontrolliertesten Seite; Von einem unruhig flackernden Drum-Rhythmus angetrieben, bewegt es sich dennoch in einem rigiden motivischen Rahmen, der mit seinen herben Timbres an die Schönbergschule denken lässt. Notwithstanding ist so etwas wie das heimliche Titelstück des Albums: Das trickreiche Leitmotiv – ausgebreitet über einem schnappenden Funkrhythmus – pflanzt sich von einem Instrument zum anderen fort und ändert dabei jedesmal seinen Charakter, wie (Licht)Wellen beim Übergang von einem Medium ins andere – eine Brechung, die titelgebende „Refraction.“ Dabei bleibt Raum genug für solistische Exkurse, wobei vor allem Jen Paulsons Soloflug auf der Viola einen bleibenden Eindruck hinterlässt. In Ratchetforms stürzt sich das Quintett in die freie Improvisation, ohne kompositorisches „Netz und doppelten Boden.“ Das Ergebnis ist so etwas wie das musikalische Gegenstück eines Action Paintings, die wilde, bizarre Schönheit „hingeworfener“ Farbkleckse, geronnener Schlieren und Wirbel. Gegen Ende des Albums gerät Bruckmann wieder in die Nähe von Lozenge; Dishevelator ist zu gleichen Teilen Prog und Punk, die vorwärtspreschenden Drums werden flankiert vom raffinierten Kontrapunkt von Viola und Blasinstrumenten – auch Univers Zero sind hier nicht fern. Mit NJBC wartet jedoch die größte Überraschung ganz am Ende. Erdacht als Wiegenlied für Bruckmanns erst wenige Monate altes Kind, nötigt es die fünf Musiker zur Zurückhaltung und beweist, dass es oft gerade die Schöpfer experimenteller, vermeintlich „hässlicher“ Klänge sind, die den ausgeprägtesten Sinn für Schönheit besitzen – Höhepunkt sind dabei die sanft perlenden Klänge Marimba.
Es ist wohl der in den Liner Notes angesprochene „generous spirit of mischief“ der Cracked Refraction über die zum Teil allzu akademischen Werke des gegenwärtigen Avant-Jazz hinaushebt. Die streckenweise geradezu absurde Komplexität von Bruckmanns Stücken hat zum Ziel, seine Musiker/innen über ihre antrainierte Virtuosität hinauszutreiben, sie zu produktiven „Fehlern“ zu zwingen, die der Musik eine ungeahnte Spontaneität und Frische zurückgeben. Damit entspricht Cracked Refraction der keineswegs neuen Einsicht, dass Kunst nur als solche gelten kann, wenn sie „state of the art“ ist, wenn sie mit äußerster Konzentration und mit äußerstem Kraftaufwand geschaffen wird. Andernfalls gerät sie ins Schlingern und stürzt, wie ein Kreisel, der an Geschwindigkeit verliert.      

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